Originaltitel: A Song For The Dark Times
Buch-Rezension von Gastautor Udo Mörsch
Diese Buchrezension ist keine Werbung, sondern spiegelt nur meine eigene Meinung zu dem Buch wieder. Ich habe das Buch käuflich in einer Buchhandlung erworben, ohne Absicht eine Buchvorstellung zu schreiben. Ich wurde weder vom Verlag, vom Autor oder jemand anderem dafür bezahlt, dieses Buch vorzustellen. Somit sollte dies geklärt sein.
Die tristen, grauen und kalten Tage des Winters eignen sich gut für einen düsteren Krimi. Also, ab auf das Sofa kuscheln, einen erfrischenden „Highland Blend Tea“ aufbrühen, und sich in einen düsteren Kriminalroman vertiefen. Dabei zum Zuge kommt einer meiner Lieblingsautoren im Krimi-Genre: Ian Rankin. Er ist aktuell der populärste schottische Krimiautor, der mit seiner Serie um John Rebus, einem eigenwilligen Ermittler aus Edinburgh, internationale Erfolge feiert. Normalerweise gebe ich nicht viel auf „Bestseller“, aber Ian Rankin ist eine Ausnahme, schon alleine aus meinem innigen Interesse an Schottland und der historischen Geschichte des Landes.
Zahlreiche John-Rebus Romane habe ich bereits gelesen, aber längst nicht alle. Aktuell umfasst die Reihe um John Rebus 23 Fälle, der 24. Band ist bereits als deutsche Übersetzung angekündigt. Der Autor zeichnet in seinen Romanen ein düsteres und authentisches Bild von Schottland bzw. Edinburgh – jenseits aller Touristenpfade. Neben einigen anderen Romanen schreibt Rankin in erster Linie seine John-Rebus-Reihe und die Malcolm-Fox-Serie, wobei die Unterschiede zwischen den beiden Romanreihen marginal sind, da beide in Schottland spielen – hauptsächlich in den dunklen Gassen von Edinburgh, Glasgow und natürlich in den Highlands. John Rebus und Malcom Fox ermitteln auch schon mal gemeinsam.
Schottland besuchte ich bereits mehrmals, deshalb glaube ich, dass ich mich ganz gut in Edinburgh und die landschaftlich imposanten Highlands auskenne. Aus diesem Grund entstehen während des Lesens eindrucksvolle Bilder von den beschriebenen Orten vor meinem geistigen „Auge“, die John Rebus auf dem Weg seiner Ermittlungen besucht, z. B. die Oxford Bar. Nicht selten durchstreift Rebus in der Nacht Edinburgh, und pflegt dabei gewisse persönliche Kontakte zur Unterwelt, die ihm oft bei kniffeligen Mordfällen behilflich sein können.
In den bisher 23 veröffentlichen Krimis entwickelt John Rebus seine leicht gespaltene Persönlichkeit, die dieser Figur eine starke Tiefe verleiht und zu einem glaubhaften Charakter macht. Rankin erzählt die Geschichte um John Rebus vom ersten Band bis zum aktuellen Roman kontinuierlich mit einem roten Faden durch. Dabei wirkt nichts konstruiert. Im Laufe der Romane wird der Ermittler älter und reifer. Der Werdegang vom Detektive Sergeant im Dienst bis zur zwangsläufigen Pensionierung und der Wechsel zum Privatermittler wird geradlinig und spannend erzählt. Die Romane lassen sich dennoch alle unabhängig voneinander lesen, ohne das Gefühl zu haben, etwas verpasst zu haben.
In „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“, zurzeit der aktuelle Band 23, ist Rebus Pensionär und gesundheitlich nicht in bester Verfassung, was seinem Ehrgeiz, alte unerledigte Mordfälle aufzuklären, allerdings keinen Abbruch tut. Während eines Umzugs aus gesundheitlichen Gründen in eine neue Wohnung, erhält er mitten in der Nacht einen Anruf seiner Tochter Samantha. Aufgeregt teilt sie ihm mit, dass ihr Ehemann Keith spurlos verschwunden ist, und bittet ihren Vater um Hilfe, obwohl das Vater-Tochter Verhältnis im Augenblick etwas zerrüttet ist.
Doch Rebus zögert nicht, macht sich Sorgen, und letztendlich vermutet er das Schlimmste, denn aus langjähriger Polizeiarbeit weiß er: Falls Keith etwas zugestoßen sein sollte, wird der erste Verdacht auf Samantha fallen. Mit seinem altersschwachen Wagen macht sich Rebus auf in die kleine schottische Küstenstadt Naver, die weit im Norden der Highlands liegt, fernab von schottischen Großstädten. Nach einer endlos erscheinenden Fahrt bei kalt-nassem Wetter durch die Highlands, erreicht er den abgelegenen Ort an der schroffen Küste. Sein altersschwacher Wagen hat die lange Strecke ohne Murren überstanden.
In Naver angekommen, wird er aber nicht gerade freundlich empfangen. Das gestörte Verhältnis zu seiner Tochter ist auch nicht gerade hilfreich, so gestaltet sich der Fall schwieriger als erwartet. Aber als Vater fühlt er sich verpflichtet, seiner Tochter Samantha beizustehen. Bald packt ihn der polizeiliche Ehrgeiz, und er taucht während seinen Ermittlungen in eine düstere Welt ein, wo sich scheinbar jeder seine eigene Wahrheit zurechtbiegt oder einfach schweigt, als würden die Leute etwas verbergen. John kennt Samanthas Ehemann Keith nicht sehr gut und hatte ihm gegenüber auch Vorurteile. Er versucht sich ein Bild von Keith zu machen. Dabei stößt er auf ein Rätsel, das tief im Inneren eines stillgelegten Camps, eine Art Internierungslager aus dem zweiten Weltkrieg, seinen Ursprung zu haben scheint.
Bei einem Besuch des verlassenen Camps stößt Rebus auf eine Leiche, versteckt im Camp. Die Person wurde mit einem Gegenstand erschlagen. Anscheinend wurden wichtige Unterlagen und ein Laptop gestohlen. Handelt es sich bei dem Toten um den vermissten Keith? Rebus stellt sich die Frage: Könnte das der erste Fall seiner Karriere sein, bei dem die Wahrheit besser nicht ans Licht käme? Während seinen Ermittlungen in Naver wird in Edinburgh einer der jungen Reichen tot aufgefunden, wobei sich die Ermittlungen in diesem Mord als brisant erweisen, wegen den Verbindungen des Verstorbenen. Rebus ehemalige Assistentin Sioban Clarke und ihr Partnerermittler Malcolm Fox stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Dieser Fall reicht weiter, als sie anfangs vermuten.
Clarke steht mit Rebus per Mobiltelefon in Verbindung, weil sie sich während seiner Abwesenheit um seinen Hund Brillo kümmert. Es dauert auch nicht lange, bis die beiden eine Verbindung zwischen den Mordfällen finden. Zwei Morde in zwei weit auseinander liegenden Ortschaften, die zuerst scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Doch Rebus stößt in Naver auf eine Verbindung zwischen den beiden Toten, die nicht gegensätzlicher sein könnte. Aber was haben die beiden Mordfälle miteinander zu tun?
„Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ kommt ohne viel Tamtam daher, was diese Geschichte auch nicht nötig hat. Der Roman packt einen ab der ersten Seite und man kann das Buch kaum noch aus der Hand legen. Im Gegensatz zu früheren Rebus-Romanen, ich erinnere hier an den Rebus-Roman „Mädchengrab“, kommt die Geschichte ohne blutige Szenen und brutale Action aus. Die kaum auszuhaltende Spannung wird von den eingängigen Charakteren, den Ermittlungen von John Rebus und den rätselhaften Geschehnissen getragen. Geschickt auch, wie der Autor die beiden Mordfälle miteinander verknüpft. Der typische Ian Rankin Schreibstil ist sehr flüssig und man fliegt nur so durch die Seiten. Man fiebert mit, Kapitel für Kapitel.
Aktuell ist „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ als Taschenbuch und E-Book im Buchhandel erhältlich. Der 24. John-Rebus-Roman „Das Erbe der Toten“ liegt in englischer Sprache bereits vor. Die deutsche Ausgabe erscheint laut Verlagsangaben demnächst.
Das Erbe der Toten: John Rebus ist angeklagt – für ein Verbrechen, das ihn für den Rest seines Lebens hinter Gitter bringen könnte. Es ist nicht das erste Mal, dass der legendäre Ermittler das Gesetz in die eigene Hand nimmt, aber es könnte das letzte Mal gewesen sein.
Die Oxford-Bar – Ein Besuch in John Rebus‘ Pub
Auf einer meiner Schottlandreisen, die mich immer nach Clen Coe oder Edinburgh führen, da mich diese beiden Orte scheinbar magisch anziehen, hatte ich auch die Gelegenheit die Oxford Bar zu besuchen. Als bekennender John-Rebus-Fan, gehört ein Besuch in der Oxford Bar einfach zum Pflichtprogramm.
Der Pub jenseits aller touristischen Routen liegt in Edinburghs New-Town in der Young Street, etwas abseits von dem touristischen Trubel und den Dudelsackklängen in der Altstadt. Die Bar befindet sich in einer kleinen Seitenstraße, die einen unwiderstehlichen Charme aus längst vergangenen Zeiten aufbieten kann.
Die Oxford Bar ist ein Pub im alten Stil, der seit dem späten 19. Jahrhundert bereits als Pub in Edinburgh betrieben wird. Die Gaststätte präsentiert sich eher bescheiden und zurückhaltend, ohne das Laute Getöse in den Pubs der Altstadt, die auch etwas Show für die Touristen aufbieten. Im Gegensatz dazu trifft man in Ian Rankins zweitem Wohnzimmer nur alteingesessene Schotten, die einen aber Herzlich Willkommen heißen.
Am späten Nachmittag war kaum die Tür zu öffnen, weil zahlreiche Gäste an der Theke standen. Hier verkehren hauptsächlich Einheimische und Ian Rankin Fans. Der Pub ist keine Schönheit, aber authentisch und echt. In den Regalen über der Theke an der Wand finden sich einige Ian-Rankin-Bücher. Darüber hängen gerahmte Fotos vom Autor in unterschiedlichen Portrait-Posen, wobei besonders die schwarz-weiß Aufnahmen herausstechen, und sich gut in die Ambiente des Establishment einfügen.
Die Wirtin drückte uns gleich Original-Autogrammkarten in die Hand und bemerkte, dass Ian zwar heute in der Oxford-Bar war, aber leider vor einer Stunde gegangen ist. Das war knapp daneben, schade. Ich hätte den Rebus-Autor doch gerne einmal persönlich kennen gelernt. Die Oxford Bar spielt in zahlreichen Rebus-Romanen eine Rolle. Ian Rankin selber ist oft zu Besuch und genehmigt sich hier einen Drink.
Somit möchte ich mit dieser längeren Buch-Rezension an dieser Stelle abschließen. Ich würde mich freuen, wenn ich die Leserinnen und Leser neugierig auf „John Rebus“ gemacht habe.
Für Science-Fiction-Fans vielleicht noch der Hinweis interessant: Ian Rankin schreibt auch SF-Thriller. Im Buchhandel erhältlich ist „Der Hinterhalt“ als Taschenbuch:
Der Hinterhalt Verlagstext: Als die Kameras des Londoner Satellitenkontrollzentrums mehrere Minuten ausfallen, vermuten nur Martin und sein Kollege Paul einen Angriff auf das Sicherheitssystem. Am nächsten Tag kommt Paul nicht zur Arbeit, seine Festplatte ist verschwunden, sein Schreibtisch geräumt. Kurz darauf stürzt in den USA eine Raumfähre bei der Landung ab, und Martin beschleicht ein furchtbarer Verdacht.
Wer sich etwas ausführlicher mit Ian Rankin und seinen Büchern beschäftigen möchte, dem kann ich die deutsche Webseite des Autors empfehlen: https://www.ian-rankin.de/